Da sitzt man vor diesem Klavier, steckt voller Motivation und spielt drauflos. Im Kopf schon das fertige Album, mit Cover, Auftritten und Merchandising. Doch schnell kommt die Ernüchterung. Die Stücke klingen irgendwie langweilig, chaotisch und zu verkopft. Sie wollen nicht so richtig fließen. Vielleicht liegt es an der Technik, die ich jahrelang vernachlässigt habe. Also Metronom an und die Finger lockern. Die Klaviatur rauf und runter jagen bis der Unterarm verkrampft. Erst nachdem gar nichts mehr geht, bemerke ich, dass es nicht der richtige Weg ist.
Im nächsten Versuch beginne ich meine Stücke neu anzuordnen, sie zu modifizieren und einer neuen Struktur unterzuordnen. Alles wird zerrissen und neu zusammengesetzt. Da werden Teile von alten Stücken in neue gebastelt und neue Stücke mit alten verwurschtelt. Als ich dann eine bunte Suppe aus Modulen vor mir liegen hatte, merkte ich, dass ich nicht Martin Kohlstedt bin 😉 und eine Struktur brauche. Also flog diese Idee auch wieder in die Mülltonne.
Dann kam die Idee die Platte an einem Stück aufzunehmen, ohne Pausen. Danach die Idee, eine elektronische Platte zu machen, zeitweilig auch der Gedanke alles hinzuschmeißen. Und immer, wenn man so richtig verzweifelt ist und nicht mehr weiter weiß, schickt einem das Leben die richtigen Menschen. In meinem Fall war es meine Yogalehrerin Regina und eine Band, über die ich gestolpert bin.
Im ersten Fall analysierten wir meine Haltung am Klavier. Es kam heraus, das ich mit hochgezogenen Schultern und angeklebten Armen, den Blick verkrampft auf das fertige Ergebnis, am Klavier sitze. Wie soll da etwas Freies und Flüssiges entstehen? Regina erklärte es mir anhand von einem Baum, der vor dem Fenster stand.
“Da ist der Baum (die Aufnahme) und da bist du. Und dazwischen ist ein Raum”
Ich verstand, das ich endlich meine krankhafte Zielorientiertheit ablegen darf und (oh wie abgedroschen) wieder in dem Moment ankomme. Der Weg ist das Ziel.
Schon am selben Abend spielte ich mein Stück Wavemarie so flüssig und frei wie nie.
Doch das war noch nicht alles. Ein alter Arbeitskollege schickte mir einen Link von einer Band, die mir im ersten Moment sehr langweilig erschien. Immer dasselbe Tempo, dieselbe Stimmlage. Jedoch löste diese Band in mir ein AHA Erlebnis aus. In einer sehr angespannten Situation und innerlichen Aufgeregtheit ließ ich mich in den Autositz fallen und legte dieses Album auf. Cigarettes after Sex brachten mich innerhalb von wenigen Minuten wieder in meinen Ruhepuls zurück und weckten in mir tiefe Emotionen.
“Was will ich eigentlich mit meinen Stücken erreichen?,”
fragte ich mich nach diesem Album und hatte sofort eine Antwort im Kopf. Es soll die Zuhörer in der Tiefe erreichen. Nein, nicht nur die Zuhörer, sondern auch mich. Es soll mir Frieden geben. Endlich inneren Frieden. Ich dachte darüber nach, dass viele meiner Stücke in einer nicht sehr einfachen Zeit entstanden sind. In ihnen stecken teilweise sehr traurige Erinnerungen. Was ich tun muss ist, ihnen endlich Frieden zu geben. Sie laufen zu lassen und endlich, nichts mehr zu wollen.
Und so wird diese Aufnahme ein Sprung ins kalte Wasser, wie Matthias es so schön auf seiner Fotoaufnahme festgehalten hat. Ich werde die Augen schließen und mich einfach fallen lassen. Und das kalte Wasser wird mich tragen, irgendwo hin.
Sven Tasch – Musiker | Autor
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